Die Nachfrage nach fair & ökologisch produzierter Kleidung wächst. Ein Gütesiegel will Verbrauchern Orientierung bieten. Foto: AdobeStock
8. Juni 2020 | Bürgerinfo

Fair Fashion oder Etikettenschwindel: der Grüne Knopf

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hat ein staatliches Siegel für fair produzierte Textilien eingeführt. Es heißt „Grüner Knopf“ und ist das erste gesetzlich geschützte Gütezeichen dieser Art.

Grüner Knopf

Das Besondere am neuen Textiletikett laut dem Minister: „Das gesamte Unternehmen wird kontrolliert. Einzelne Vorzeigeprodukte reichen alleine nicht aus. In dieser Tiefe prüft sonst keiner“, behauptet Müller. Aktuell seien 27 Unternehmen damit zertifiziert, darunter Start-ups, Mittelständler, Nachhaltigkeitsvorreiter und große Unternehmen: Alma & Lovis, Aldi, Brands Fashion, CharLe, Derbe, Dibella, Engel, Feuervogl, Hans Natur, Hessnatur, Hopp, Kaufland, Kaya & Kato, Lidl, Manomama, Melawear, Millitomm, Modespitze Plauen, Phyne, Posseimo, Rewe, Schweickardt Moden, Tchibo, Trigema, Vaude, 3 Freunde. Sie haben alle die Anforderungen des Siegels erfolgreich bestanden.

46 Kriterien müssen erfüllt sein

„Wenn ein T-Shirt den grünen Knopf trägt, sind 46 Standards erfüllt“, sagt Gerd Müller. 26 für das Produkt, 20 weitere Kriterien für das gesamte Unternehmen. Von A wie Abwassergrenzwerte über M wie Mindestlohn bis Z wie Zwangsarbeitsverbot. Auch das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit gehöre dazu. 26 weitere Textilfirmen, etwa Hugo Boss und Socks4Fun, seien derzeit im Prüfprozess, so der Minister. Unter den Kriterien ist z.B. die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns verankert. Doch reiche der meistens nicht zum Leben aus, lautet die Kritik daran. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Offenlegung der Zulieferer. Damit keine Textilfirma mehr behaupten kann, man habe von den schlimmen Arbeitsbedingungen bei den Lieferanten nichts gewusst. Einmal verliehen, gilt das Siegel für drei Jahre – und zwar nur für das gesamte Unternehmen, nicht für einzelne Produkte.

Zum Start: Nähen, Färben & Bleichen

„Zum Start“, sagt Müller, „fangen wir mit den beiden wichtigsten Arbeitsschritten Nähen und Färben an.“ Hier liefen 100 Milliarden Kleidungsstücke im Jahr durch; hier arbeiteten 75 Millionen Menschen; hier verrieten die Flüsse meist die Trendfarbe der nächsten Saison, weil von jeder Färberei Tag für Tag zweieinhalb Tonnen Chemikalien oft ungeklärt ins Abwasser komme.

Kritische Reaktionen

Der Gesamtverband Textil + Mode, der 350 deutsche Modemarken vertritt, will den Grünen Knopf nicht empfehlen. „Er schafft mehr Siegelunklarheit als Siegelklarheit“, beklagt dessen Präsidentin Ingeborg Neumann. Was Zulassungskriterien und staatliche Kontrolle angehe, so Neumann, werfe das Konzept aus dem Entwicklungsministerium mehr Fragen auf, als dass es Antworten gebe.

Auch Nachhaltigkeitsmanagerin Lavinia Muth von der Modemarke Armed-Angels zweifelt an der Überprüfbarkeit. „Aus meiner Erfahrung heraus würde ich sagen, dass so etwas zum aktuellen Zeitpunkt nicht möglich ist“, sagte Muth der WirtschaftsWoche. Zudem schließt Müllers Siegel vorerst Teile der Produktionskette aus: Schließlich würden nur die Bedingungen beim Nähen, Färben und Bleichen einbezogen. Nicht aber die beim Weben, Spinnen und bei der Rohstoffproduktion. Es kann also Kleidung mit dem Grünen Knopf auf den Markt kommen, die zwar nachhaltig gefärbt wurde, aber dennoch aus Baumwolle gewoben ist, die mit Pestiziden belastet ist.

Neuer Expertenbeirat

Im März 2020 hat der Bundesentwicklungsminister ein fünfköpfiges unabhängiges Expertengremium ins Leben gerufen, das helfen soll, den Grünen Knopf weiter zu entwickeln. Zum einen soll das Siegel bei Kaufentscheidungen eine größere Rolle spielen, dafür muss es von Verbrauchern gut angenommen werden und glaubwürdig sein. Zum anderen sollen weitere Produktionsschritte – wie die Faserproduktion und -verarbeitung – in den Kriterienkatalog aufgenommen werden.

Wussten Sie, dass …

  • … in Deutschland jeder im Durchschnitt sechzig Kleidungsstücke im Jahr kauft?
  • … 25 Prozent, also ein Viertel aller weltweit verwendeten Insektizide allein bei der Baumwollproduktion zum Einsatz kommen?
  • … eine ungelernte Näherin in Äthiopien einen Stundenlohn von unter 20 Cent erhält?
  • … 20 Prozent der Wasserverschmutzung durch industrielle Abflüsse auf das Färben und Veredeln von Textilien zurückgeht? Damit ist die Textilbranche der zweitgrößte Wasserverschmutzer der Welt.
  • … der Anteil des Bekleidungs- und Schuhsektors an den weltweiten Treibhausgasemissionen bei über acht Prozent liegt?

Modefahrplan

  1. Zu gut für die Tonne. Jährlich fallen in Deutschland rund 1,35 Millionen Tonnen gebrauchte Textilien und Schuhe allein aus privaten Haushalten an. Kleiderkammern und soziale Einrichtungen nehmen gut Erhaltenes gerne an, der Rest muss zum Textilrecycling. Doch Fakt ist, dass nicht mal ein Prozent der weltweiten Kleidungsproduktion zu neuen Stücken recycelt wird.
  2. Kaputtes lässt sich ausbessern. Knöpfe lassen sich ganz einfach wieder annähen, das Internet bietet zahlreiche Tutorials dafür. Aufwändigere Näharbeiten erledigt ein Schneider und abgelaufene Haxen besohlt der Schuster.
  3. Lieblingsstücke brauchen Pflege. Achten Sie auf die Waschanleitung, damit Textilien lange schön bleiben. Waschen Sie nicht zu heiß und nicht zu oft. Einzelne Flecken lassen sich gegebenenfalls auch mit der Hand auswaschen.
  4. Tauschen oder gebraucht kaufen. Wussten Sie, dass Kleidungsstücke vom Kaufenden im Durchschnitt nur viermal getragen werden, bevor man sie wieder aussortiert? Deshalb finden sich in Tauschbörsen und Second-hand-Shops oft gut erhaltene Stücke zu einem guten Preis.
  5. Weniger kaufen. Rund zwanzig Prozent unserer Kleidung tragen wir nicht. Deswegen stellen Sie sich vor jedem Kauf die Frage: Brauche ich das wirklich? Gefällt mir das noch in einem Jahr und kann ich das gut kombinieren?
  6. Beim Kauf auf Textilsiegel achten. Fragen Sie z.B. nach dem strengen Siegel des Verbands der Naturtextilwirtschaft: IVN Best. Die dabei angesetzten Chemikalienwerte orientieren sich an denen des Global Organic Textile Standard (GOTS), der sich auf biologisch angebaute Naturfasern konzentriert; es dürfen aber auch bis 30 Prozent Recyclingfasern beigemischt werden, und auch recycelte Synthetik wie Polyester ist erlaubt. GOTS regelt die gesamte textile Wertschöpfungskette vom Anbau bis zum fertigen Produkt, auch nach sozialen Mindeststandards. Nicht so streng ist der Grüne Knopf, dennoch eine gute Wahl.

Alle Informationen zum Grünen Knopf finden Sie hier:  www.gruener-knopf.de

Weitere Informationen und Netzwerke zum Thema „Nachhaltige Bekleidung“

Seit 1996 verfolgt die Kampagne für Saubere Kleidung das Ziel, Arbeitsrechte in der globalen Bekleidungsindustrie zu verbessern. Das weltweite Bündnis aus NGOs, Gewerkschaften, Verbraucherverbänden, kirchlichen Institutionen etc. will Unternehmen dazu drängen, mehr Verantwortung für ihre globalen Wertschöpfungsketten zu übernehmen und ruft die deutsche Regierung auf, Gesetze zu verabschieden, die Menschenrechtsverletzungen durch deutsche Unternehmen verhindern:  https://saubere-kleidung.de/

Das Bündnis für nachhaltige Textilien  ist eine Multi-Akteurs-Partnerschaft aus rund 120 Unternehmen, Verbänden, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Standardorganisationen sowie der deutschen Bundesregierung. Die Akteure haben sich 2014 zusammengeschlossen, um gemeinsam Verbesserungen entlang globaler Wertschöpfungsketten in der Textilindustrie durchzusetzen:  www.textilbuendnis.com

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe, Oktober 2019; siehe zum „Bündnis für nachhaltige Textilien“ auch das vollständige Porträt der Organisation im  Jahrbuch Nachhaltigkeit 2019.

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