Windkraft und Artenschutz müssen miteinander vereinbar sein.
Windräder als Vogelkiller? Artenschutz und Windkraft müssen vereinbar sein. Foto: Schlegelfotos/Adobestock
10. Juni 2021 | Energie und Wärme

Windkraft UND Artenschutz: Beides muss klappen

Geht nur Klimaschutz ODER Artenschutz? Das sei die „falsche Alternative, beides muss klappen“, sagt nicht nur die Stiftung Klimaneutralität, deren Chef Rainer Baake lange Jahre Staatssekretär im Bundesumwelt- und im Bundeswirtschaftsministerium war und nun ein Fachgutachten dazu vorgelegt hat, wie es gehen kann, dass Windkraft und Artenschutz miteinander vereinbar werden.

Vorrang- und Tabuzonen für Windkraft

Der NABU und die Bundestagsfraktion der Grünen haben sich Ende 2020 darauf geeinigt, wie sich der Ausbau der Windkraft und Artenschutz in Einklang bringen lassen. Demnach würden Flächen für besonders windradsensible Vögel wie Rot- und Schwarzmilan oder Schreiadler strikt freigehalten, andere Räume dafür per Ausnahmegenehmigung geöffnet. Im Kern sollen die Länder sich dazu verpflichten, Vorrang- sowie Tabuzonen auszuweisen und Windstrommengen angeben, die sie liefern werden.

Rechtssicherheit gefragt

Doch im Fall der Ausweisung der benötigten zwei Prozent Landesfläche für die Windkraft ist den zuständigen Behörden bis heute keine „höhere Rechtssicherheit“ beschieden.
Zwar sind im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG § 45, Abs. 7, Satz 1) Ausnahmen vom Tötungsverbot der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie geschaffen worden. Doch um Interpretation und Anwendung dieser Regelungen wird oft in langwierigen Verfahren vor Verwaltungsgerichten gestritten.

Klar definierte, artenspezifische Schutzzonen schaffen Sicherheit

„Dies ist der Grund, warum der Ausbau der Windenergie praktisch zum Erliegen gekommen ist“, sagt Rainer Baake. Seine Gutachter, vom Büro Dr. Marc Reichenbach in Oldenburg schlagen nun vor, um alle nachgewiesenen Nistplätze von Adler, Milan, Weihe & Co. einen artspezifischen „inneren und äußeren Schutzabstand“ zu ziehen und diese konkreten Ausnahmen im BNatSchG zu regeln.

Der innere Kreis ist für Windräder tabu – z.B. 2 500 m um ein Schreiadlerhorst, 1 000 m für Seeadler und Wanderfalke; der äußere Abstand (von 500 m für die Rohrweihe bis 6 000 m zum Schreiadler) gilt nur dann artenschutzrechtlich als genehmigungsfähig, wenn der Projektierer Maßnahmen ergreift, um drohende Vogelkollisionen zu vermeiden: zum Beispiel indem man Ablenkflächen schafft oder Technik einsetzt, die zum Trudelbetrieb der Rotoren führt, wenn Vögel dem Windrad zu nahe kommen.

Außerhalb dieser Schutzabstände, sagt Baake, seien Windenergieanlagen immer erlaubt, so dass sich Behörden im Prüfungsfall allein aufs Einhalten dieser Vorgaben beschränken könnten. Das schaffe Rechtssicherheit, so Baake, „an welchen Standorten Windenergieanlagen zulässig, mit Maßnahmen zulässig oder unzulässig sind“. Er erhofft sich damit „eine wesentliche Beschleunigung bei den Genehmigungsverfahren“.

Aktualisierung des Bundesnaturschutzgesetzes

Was sagen die Naturschutzverbände dazu? „Ich glaube, die Richtung stimmt“, sagt der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert. Das Bundesnaturschutzgesetz müsse dafür aufgemacht werden, um Artenschutzstandards zu definieren, also windenergiesensible Arten „evidenzbasiert“ benennen und dementsprechend auch absolute No-go-Gebiete für die Windkraft. Schwerpunktvorkommen bedrohter Arten, sogenannte Dichtezentren, sollten bereits auf Ebene der Regionalplanung berücksichtigt werden.

Landwirtschaft größere Bedrohung für Artenvielfalt

„Wir brauchen aber auch klar definierte Flächen, wo die Windenergie stattfinden soll“, sagt Niebert. Zwei Prozent der bundesweiten Fläche müssten als Windkraftstandorte eben auch ausgewiesen werden. „Wir wollen achtzig Prozent Erneuerbare bis 2030. Daher brauchen wir Verbindlichkeit“, so Niebert. Naturschützer stünden mit dem Rücken zur Wand. „Denn mehr Windenergie bedeutet auch immer mehr Industrie oder Technik.“ Allerdings, sagt Niebert – und das betont auch Rainer Baake –, seien nicht Windräder die größte Bedrohung für unsere Greifvögel bzw. Artenvielfalt, sondern, „wie wir Landwirtschaft in Deutschland betreiben“.

Windräder als Vogelkiller? Nicht zwingend. Windkraft und Artenschutz müssen sich miteinander vereinbaren lassen, um Klima- und Umweltschutzziele zu erreichen. Beides gegeneinander auszuspielen, wird uns in Zukunft nicht weiterbringen.

Das Gutachten Windenergie und der Erhalt der Vogelbestände im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität unter Artenschutz und Windenergie – Stiftung Klima (stiftung-klima.de)

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe, Juni 2021.

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