Atomkraft: "Nein Danke" oder wegen der Klimakrise "ja, bitte"?
Wegen ihrer angeblichen Klimafreundlichkeit erlebt die Atomkraft 10 Jahre nach Fukushima eine merkwürdige Renaissance. Foto: ThKatz, AdobeStock
20. April 2021 | Energie und Wärme

Atomkraft: strahlende Aussichten

Rund zehn Jahre, nachdem in Fukushima sechs Kernreaktoren von einem Tsunami überschwemmt wurden und es in drei Blöcken zur Kernschmelze kam, erlebt die Atomkraft eine merkwürdige Renaissance in der energiepolitischen Debatte: Können AKW die Welt vor der Klimakrise retten?

Atomausstieg in Deutschland

In Deutschland ist die Atomkraft passé. Endgültig. Bis Ende 2022 werden die letzten sechs Meiler abgeschaltet: Brokdorf, Gundremmingen C und Grohnde noch in diesem Jahr, im kommenden die Blöcke Emsland, Isar 2, Neckarwestheim 2.

Das war vor der Reaktorkatastrophe in Fukushima noch anders geplant: Die zu Beginn des Jahres 2011 hierzulande betriebenen 17 AKW sollten noch viele Jahre weiter Strom produzieren. Doch der Horror des Tsunamis und der Kernschmelze in Japan ließ Angela Merkel umdenken. Als „ganz persönlich einschneidendes Ereignis“ bezeichnete die damalige Bundeskanzlerin den GAU von Fukushima. „Ich weiß, dass viele andere vorher Einsichten hatten, die ich heute teile“, so Merkel.

Sie kassierte den Beschluss zur Laufzeitverlängerung und verordnete den Atomausstieg. Der Preis dafür erscheint hoch: Insgesamt 2,428 Milliarden Euro Entschädigung wird der Bund zahlen. Darauf haben sich Merkel & Co mit den (ehemaligen) AKW-Betreibern Vattenfall, E.ON, RWE und EnBW Anfang März verständigt. Die Konzerne stellen im Gegenzug alle Klagen ein.

Auswirkungen der Reaktorkatastrophe in Japan

Solch rigorose Konsequenzen hat die Regierung in Japan nicht gezogen. Dabei seien dort mittlerweile etwa 80 Prozent der Bevölkerung gegen die Nutzung der Kernkraft berichtet der ehemalige Vorsitzende des BUND, Hubert Weiger, der lange vor der Katastrophe mit japanischen NGOs zusammenarbeitete und sie danach im Aufbau einer kritischen Öffentlichkeit unterstützte.

Von den ursprünglich 53 Reaktoren seien derzeit neun am Netz, so Weiger, eine Energiewende sei in Japan erst in den Anfängen. Zwar hat Japans AKW-Betreiber Tepco viele Reaktoren stillgelegt, fürs Gros wird aber die Wiederinbetriebnahme beantragt. Zudem sind zwei neue AKW im Bau. Ohne die CO2-arme Atomkraft sei Klimaneutralität im Jahr 2050 nicht zu schaffen, heißt es aus Japan.

Atomkraft als klimafreundliche Energie?

So rechtfertigen auch weitere Länder ihre AKW-Pläne, um ihre Klimaziele zu erreichen. Medien berichten, dass die Türkei neuerdings Atomkraft nutzen wolle, auch Polen erwäge es. Von den fünf AKW, die 2020 weltweit ans Netz gingen, stünden zwei in China sowie je eins in Russland, Weißrussland und in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort seien drei weitere im Bau, so die taz.

Kann man da von einer Renaissance der Atomkraft sprechen? Allein aus Kostengründen sei das nicht zu erwarten, heißt es bei der Agora Energiewende. Deren Direktor Patrick Graichen konstatiert: „An günstigen Standorten auf der Welt kann Wind- und Solarstrom für unter 2 Ct/kWh hergestellt werden und ist damit die mit Abstand günstigste Art Strom herzustellen.“ Die Erneuerbaren sind demnach so billig geworden, dass sie unter den Betriebskosten von Kernkraftwerken liegen. Hinzu kommen deren lange Bauzeiten von 10 bis 15 Jahren sowie enorme Schäden durch den Uranabbau.

Der Herausgeber des World Nuclear Industry Status Report, Mycle Schneider, sagt: „Jeder investierte Euro in neue Atomkraftwerke verschlimmert die Klimakrise, weil dieses Geld nicht für effizientere Klimaschutzoptionen zur Verfügung steht.“ Zumeist werde von AKW-Planungen fabuliert, aber in der Realität passiere wenig.

Wie konsequent ist der Atomausstieg?

In Deutschland ist der Ausstieg vollzogen, allein die Suche nach einem Endlager bleibt ungelöst. Doch ist das nicht widersprüchlich, wenn in Lingen die Brennelementeherstellung und in Gronau die Uranwiederaufbereitungsanlage weiterlaufen? „Ja, das passt nicht zusammen“, sagt Jochen Flasbarth. „Der Atomausstieg kann nur gelingen, wenn auch diese beiden Anlagen abgeschaltet werden“, so der Umweltstaatssekretär: „Und ich bin sicher, dass das im neuen Koalitionsvertrag im Herbst auch drinstehen wird.“

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe, April 2021.

 Atomenergie · Strahlenschutz | BMU

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