Um den Konsum von Fleisch klimafreundlicher zu gestalten, setzt Agrarministerin Julia Klöckner auf Information und Aufklärung.
Um den Konsum von Fleisch klimafreundlicher zu gestalten, setzt Agrarministerin Julia Klöckner auf Information und Aufklärung. Bild: HNFOTO/AdobeStock
3. Februar 2019 | Landwirtschaft und Ernährung

Fleisch: Jetzt geht´s um die Wurst

Nein, an die deutschen Verbraucher zu appellieren, weniger Fleisch zu essen, wolle sie nicht, sagt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Auch vom Vorschlag ihres wissenschaftlichen Beraterstabs im eigenen Hause (BMEL), wonach man den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Fleisch und tierische Produkte abschaffen und auf die regulären 19 Prozent heben sollte, hält sie nichts.

Mehr Aufklärung oder höhere Preise?

Fleisch dürfe nicht nur etwas für Besserverdienende sein, sagt sie. „Wir werden kein Gesetz machen, wieviel Fleisch und Wurst man essen darf“, betonte Klöckner in der Fragestunde vor Beginn der Grünen Woche. Die CDU-Ministerin setzt allein auf Information. „Es braucht mehr Aufklärung“, sagt sie. Damit nicht jeder Bundesbürger, wie derzeit der Fall, 55 Kilo Lebensmittel im Jahr wegschmeiße.

Essen Deutsche überhaupt so viel Fleisch?

Und tatsächlich sendet das BMEL wie noch nie mehrmals täglich Pressemitteilungen aus. Jede Präsentation, jede Rede, jedes Zitat der Ministerin soll zur Nachricht werden. Doch braucht es vielleicht nicht auch mehr Information, damit der Pro-Kopf-Verzehr im Kampf gegen den Klimawandel weit unter die derzeit konsumierten 60 kg Fleisch pro Jahr fällt? „Ich werde dem Argentinier nur schwerlich sein Steak verbieten können“, sagt Klöckner. Vermutlich genauso ein Vorurteil wie die Behauptung, dass in Deutschland täglich Fleisch auf den Tisch komme. „Stimmt nicht!“, heißt es im BMEL-Ernährungsreport 2018. „Nur 28 Prozent der Befragten essen täglich Fleisch und Wurst.“ Das ergab die aktuelle Forsa-Umfrage. Sechs Prozent der Deutschen seien Vegetarier, nur ein Prozent Veganer.

Julia Klöckner setzt auf Information, lehnt aber Ampelfarben auf Lebensmitteln ab. Auch die aus Frankreich stammende und mehr differenzierende „Nutri-Score“-Kennzeichnung in fünf Farben habe Schwachstellen, sagt sie und bügelt das so ab: „Wenn alle Farben leuchten, herrscht Verkehrschaos.“

Tierwohlkennzeichnung als einzige Neuerung

Allein das überfällige, aber freiwillige Tierwohlkennzeichen, das über den gesetzlichen Standards liegen soll („79 Prozent der Verbraucher wünschen sich das“) und das ihr Vorgänger Christian Schmidt bereits vor zwei Jahren auf der Grünen Woche vorstellte („Ich hab meine Hausaufgaben gemacht, das Gesetz liegt in der Schublade“) wird nun von Klöckner auf den Weg gebracht. Zunächst nach Brüssel zur Notifizierung, danach ins Parlament und in die Verbände- und Länderanhörung. Eigenschaften des staatlichen Tierwohlkennzeichens seien „Anforderungen, denen nicht Haltungssysteme, sondern ressourcen-, management- und insbesondere tierbezogene Kriterien zu Grunde liegen“, heißt es aus dem BMEL. Zur besseren Vermarktung werde es drei Stufen geben: „eine Eingangsstufe, eine zweite Stufe und eine Premiumstufe“.

„Wir wissen nichts über die Kontrolldichte des Tierwohlkennzeichens und nichts über die Förderpolitik, um zu diesem Kennzeichen zu kommen“, zweifelt Tierschutzbundpräsident Thomas Schröder an einem freiwilligen Label. Seiner Ansicht nach wird es dazu missbraucht, „das Ordnungsrecht unangetastet zu lassen“. Schröder hat der Fragestunde mit der Ministerin beigewohnt und vermisste hinterher eine Botschaft. Dabei hat die frühere Weinredakteurin vor der Grünen Woche ihre Message verbreitet. Es geht ihr um bessere Kommunikation.

Debatte habe sich polarisiert

„Wir brauchen eine andere Debattenkultur. Sie ist sehr, sehr polarisiert“, sagte sie vor der versammelten Journalistenschar. Landwirte und Verbraucher entfernten sich immer mehr voneinander, meint Klöckner. „Landwirte sehen sich als Kompensationsraum für städtische Wünsche.“ Verbraucher in den Städten wüssten nicht mehr, wie Landwirte produzierten, behauptet sie.

Bauernhöfe mit High-Tech

In einer Grundsatzrede, die Klöckner im Oktober 2018 zum politischen Erntedank hielt – und die heute noch als Broschüre (!) verschickt wird –, heißt es: „Ersetzen wir die romantischen Streichelbahnhöfe in unseren Köpfen. Landwirtschaft ist heute Hightech. Mit GPS, Drohne und Traktor mit präziser digitaler Technik.“ In der Digitalisierung erhofft sie sich, „Zielkonflikte zu überwinden“. Also weniger Düngemittel und Pestizide einsetzen zu müssen, nur noch dort, „wo es hingehört“. Doch damit geriert sie sich eher als verlängerter Arm der Großbetriebe, die heute schon voll durchdigitalisiert sind. Auch wenn Klöckner ein internationaler Digitalrat vorschwebt, „um möglichst vielen den Zugang zu digitalen Techniken zu ermöglichen“, scheint die sogenannte bäuerliche Landwirtschaft auf der Strecke zu bleiben.

Tierschutz und Naturschutz ausgebremst

So gesehen bleibt abzuwarten, ob sich die CDU-Agrarministerin in Brüssel beim Aushandeln der künftigen EU-Agrarreform tatsächlich für ein „höheres Umweltambitionsniveau“ einsetzt – wie Julia Klöckner es seit Wochen nicht müde wird zu betonen. Tierschützer Thomas Schröder sagt das so: „Wenn Frau Klöckner so könnte, wie sie von Herzen will, wären wir vielleicht nicht weit auseinander. Die Bremse sind die Koalitionsfraktionen, besonders auf Unionsseite.“

Der Ernährungsreport des BMEL 2019:  BMEL – Ernährung – Deutschland, wie es isst – der BMEL-Ernährungsreport 2019

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe Februar 2019.